Es kann für Werbetreibende verlockend sein, Kunden eine Vielzahl an Produkten, Features sowie Informationen anzubieten und eine möglichst weite Bandbreite zu präsentieren. Aktuelle Studien zeigen aber, dass Einfachheit fast immer die beste Option ist, um sowohl den Unternehmenswert als auch die Kundenbindung zu steigern. Aber was braucht es, um ein Kundenerlebnis zu schaffen, das von Anfang zu Ende reibungslos und simpel ist? Wie können Werbetreibende Einfachheit in jeden Aspekt der Customer Journey integrieren?
Der moderne Verbraucher steht jeden Tag vor dutzenden, teils hunderten Entscheidungen. Was soll ich lesen? Wo soll ich kaufen? Was soll ich kaufen? Beim wem soll ich kaufen? Jede dieser Fragen und Entscheidungen fordert einen mentalen Tribut.
Dennoch bieten Werbetreibende immer mehr an. Mehr Auswahl. Mehr Produkte. Mehr für den Preis. Weitere Features, mehr Informationen und zusätzliche Rabatte.
In neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen zu investieren, die den Käufern einen Mehrwert bieten, ist für Unternemehn an sich auch gut. Doch zeigen Studien auch, dass die Vereinfachung der Journey häufig die beste Strategie ist. Eine Umfrage, die von der Markenberatung Siegel + Gale mit über 15.000 Verbrauchern in 9 Ländern durchgeführt wurde, ergab, dass Marken, die Kunden eine einfache und nahtlose Journey anbieten, sowohl ihren Unternehmenswert oder auch Aktienwert steigern konnten, sowie auch die loyalsten Kunden aufwiesen (Beispiel Apple).
Einfachheit ist natürlich leichter gesagt als getan. Das Magazin Harvad Business Review hat durch seine Recherche 4 miteinander verbundene Steps identifiziert, die jedem Unternehmen helfen können, ihren Kunden eine reibungslosere und einfachere Customer Jounrey anzubieten.
1. Unternehmen müssen zu Beginn für sich intern identifizieren und kommunizieren, was Einfachheit für sie bedeutet
Um eine vereinfachte Kundenerfahrung aufzubauen, müssen sie zunächst herausfinden, was „einfach“ für Ihr Unternehmen bedeutet. Einfachheit hat viele Facetten. Es bedeutet, sowohl die Produktentwicklung als auch die Vertriebs- und Marketingbemühungen zu überdenken und die Komplexität von Produktportfolios, Preisnachlässen, Werbekampagnen zu verringern. Jedes werbetreibende Unternehmen muss bestimmen, welche Bereiche je nach Kontext und Umständen am meisten von einer Vereinfachung profitieren würden.
Sobald die Bereiche mit der höchsten Priorität identifiziert wurden, ist es wichtig, sie von der Führungsebene in jede Abteilung klar zu kommunizieren. Netflix kommuniziert intern z. B. wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen, um die Komplexität zu vereinfachen, wo immer dies möglich ist. Entscheidend ist hier auch, dass die Führungskräfte des Unternehmens diese Werte auch leben. Es bringt nichts nur zu reden und zu fordern. Leitlinien müssen von der Führungsebene vorgelebt werden.
In ähnlicher Weise ist Apple auch für seine Vereinfachungsprinzipien bekannt, die Entscheidungen wie die explizite Politik der absichtlichen Begrenzung der Anzahl der vom Unternehmen angebotenen Produkte und Modelle beeinflussen. Das Erkennen und Kommunizieren der Bereiche, in denen Einfachheit für ein Unternehmen am wichtigsten ist, ist der entscheidende erste Schritt, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter*innen im gesamten Unternehmen diese Prioritäten einhalten.
2. Erstellen einer einfachen Customer Journey
Natürlich ist es wichtig, sich auf das Produkt zu konzentrieren und nicht jedes Produkt ist eben einfach. Doch ist es genauso wichtig, das gesamte Kundenerlebnis nicht aus den Augen zu verlieren. Das bedeutet, dass Vertriebs- und Marketingbemühungen so gestaltet werden müssen, dass Kunden das Produkt so einfach wie möglich finden, kaufen und verwenden können. Hier hilft es sich als Unternehmen folgende Fragen zu stellen, um sicherzustellen, dass die Einfachheit während der Customer Journey an Priorität gewinnt:
- Wie können wir es unseren Kunden erleichtern, unsere Angebote zu verstehen und zu bewerten? Könnten wir weniger Produkte, Funktionen oder Fähigkeiten bereitstellen, ohne die Effektivität unserer Lösung zu beeinträchtigen?
- Wie können wir gezielte Marketingkampagnen erstellen, die Kunden in ihrer Sprache zu dem Zeitpunkt und an dem Ort ansprechen, der für sie am nützlichsten ist?
- Wie können wir unsere Preise transparenter und konsistenter gestalten? Unterschiedliche Preise basierend auf Loyalität, Saison, Kaufort, Kanal oder Demografie können den Gewinn steigern, erhöhen aber auch die Komplexität für den Kunden.
- Wie können wir unser Geschäft vor Ort innen gestalten und Point-of-Sale-Technologien (Tools wie automatisierte Empfehlungen für verwandte Produkte, mobile Zahlungen usw.) nutzen, um ein reibungsloses Einkaufserlebnis zu schaffen?
Dies sind nur ein paar Fragen. Es gibt weitaus mehr Möglichkeiten, die Customer Journey zu vereinfachen. Können z. B. ähnliche Produkte in einem einzigen Angebot zusammen gefasst werden oder Unternehmen in eine bequeme digitale Zahlungsmethode investieren oder auch einfach mal runde Preise festlegen, die besser in Erinnerung bleiben (Bsp. 99€ statt 98,95)? Alles, was Sie tun können, um die mentale Belastung Ihrer Kunden zu verringern, verbessert die Erfahrung und Wahrnehmung Ihrer Marke.
Auch machen nicht alle Marketingkanäle Sinn. Sich hier zu fokussieren und eben auch nur dort präsent zu sein, wo die Zielgruppe tatsächlich ist und nicht wo das Unternehmen gerne vertreten sein will, hilft ungemein. Denn je mehr Kanäle bespielt werden, desto mehr muss ressourcentechnisch, finanziell und inhatlich investiert werden. Hier überall klar und einfach zu bleiben, wenig komplex, schafft nicht jeder. Manchmal ist weniger aber eben mehr. Sei es mit Werbemitteln, Auswahl der Kanäle, Angeboten, Preisvariationen, Produktvielfalt etc. Auch sind Streuverlust und Mitbewerber ein Thema. Je mehr ein Unternehmen macht, desto mehr gibt es zu beachten und je fehleranfälliger wird es.
Das Aufbauen einer einfachen Customer Journey und Kunden darin nicht zu verlieren, ist ein komplexes Thema. Es kann verlockend sein, Kunden eine unendliche Reihe von Optionen und Funktionen anzubieten, um ihnen genau das zu bieten, was sie sich wünschen oder was Unterhemen meinen zu wissen, was sich ihre Kunden wünschen. Aber Fakt ist, 9 von 10 Kunden favorisieren nun mal die einfache Option, auch wenn es nicht die Perfekte für sie ist.
3. Um eine Einfachheit nach außen hin zu erreichen, muss zuerst die interne Komplexität berücksichtigt werden
Nach außen hin kann etwas sehr einfach ausschauen, meist liegt hier auf Unternehmensseite jedoch eine hohe Komplexität vor, um diese Einfachheit nach außen anbieten zu können. Das macht es für Unternehmen schwieriger. Denn eine Priorisierung hin zu mehr Einfachheit für das Kundenerlebnis bedeutet nicht, dass Unternehmen die Komplexität intern vollständig beseitigen können. Im Gegenteil, der Prozess, ein Produkt in seine einfachste Form zu bringen, kann oft sehr komplex sein. Zum Beispiel bei Google: Um das Desgin ihrer Suchmaschine einfach und schlank zu halten, mussten intern schwierige Entscheidungen getroffen werden wie z. B. auf umfangreichere Features zu verzichten, mehr Design-Elemente wegzulassen und sogar die Ablehnung von Kundenwünschen (s. Quelle). Das Ziel der Google-Startseite ist eine so geringe Anzahl von Designpunkten wie möglich, quasi ein sehr schlankes, abgespektes Design.
Es ist zudem oft herausfordernd herauszufinden, was Kunden wirklich wollen und nicht, was sie sagen, dass sie wollen. Um das nützlichste und zielgerichteteste Produkt zu entwickeln, müssen Unternehmen zunächst identifizieren, was ein Kunde wirklich will und verstehen, dass Kunden das Produkt nicht genau so verwenden, wie Sie es als Anbieter möchten oder erwarten. Um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen, ist es wichtig, Produkte oder Funktionen so einfach und reibungslos wie möglich zu gestalten. Das allein kann für ein Unternehmen schon ein Bollwerk sein.
4. Einfachheit da platzieren, wo sie Sinn macht
In einigen Situationen bevorzugen Kunden ein einfaches Produkt, in anderen Fällen möchten sie die Möglichkeit, ihre persönlichen Einstellungen und Funktionen anzupassen.
Selbst einige der strategischen Entscheidungen von Apple standen offenbar im Widerspruch zum tief verwurzelten Wert des Unternehmens für Einfachheit. Trotz ihres Fokus auf die Minimierung der Anzahl von Produkten haben sie die Bereitschaft gezeigt, dass neue Produktkategorien mit älteren koexistieren. Denn während Apple die meisten iPod-Modelle eingestellt hat, um sich auf neue und leistungsstärkere Geräte wie das iPhone und das iPad zu konzentrieren, hat das Unternehmen entschieden, dass es sich lohnt, den iPod Touch neben den beliebtesten Produktlinien weiter zu verkaufen, da er den Kundenanforderungen in einer Form entspricht was neuere Produkte nicht tun (hier Apples Infos zum Warum: Link).
Netflix macht es so, in dem sie eine äußerst einfache Preisstruktur und möglichst simple Benutzeroberfläche mit einer angemessenen Komplexität in Bezug auf die Vielfalt der Produktangebote kombinieren. Während Einfachheit hier die Standardeinstellung sein soll, ist es ihnen auch wichtig, die Bereiche zu berücksichtigen, in denen ein wenig Komplexität die Customer Experience tatsächlich verbessern kann. Jeder weiß, was er/sie bei Netflix bekommt (Preis, Produktangebot). Nach außen hin simpel und einfach zu merken. Monatliche Fee, Serien und Filme – that’s it.
Fazit:
Zu bedenken ist hier, dass der Fokus auf B2C liegt.
Vereinfachung anzustreben, aber auch die interne Komplexität dabei zu berücksichtigen und Raum für Ausnahmen lassen, kann für Werbetreibende ein guter Weg sein, ihren Kunden eine reibungslosere und einfache Erfahrung mit ihrer Marke und ihren Produkten anzubieten. Nicht jedes Unternehmen kann dies gewährleisten (ich denke da z. B. auch an die stark befüllte und oft unübersichtliche Website von Amazon), dennoch kann es nicht schaden zu schauen, wie es die erfolgreichen Unternehmen machen, davon zu lernen und für sich daraus das zu implementieren, was machbar ist, auch wenn eine Umstellung zunächst unbequem ist.
Weitere Quellen:
istockphoto.com/hanohiki
Harvard Business Review